Hypnose

Der Begriff Hypnose leitet sich vom griechischen Wort „hypnos“ ab. Die Übersetzung dafür heißt Schlaf, obwohl Hypnose mit dem Zustand des nächtlichen Schlafes nichts zu tun hat. Für die meisten Menschen hat die Hypnose etwas Geheimnisvolles. Sie stellen sich vor, unter Hypnose nicht mehr Herr ihrer  Sinne zu sein, wie vielleicht auf  Bühnenshows gesehen. Dabei ist die gezielte Heilung von Krankheiten mit Hilfe geistiger (mentaler) Kräfte schon seit Menschheitsgedenken bekannt. Mit Meditationstechniken erreichten Fakire und Yogis schon vor mehr als 2000 Jahren v. Chr. ihren Körper durch Trance-Zustände vorübergehend „schmerzlos“ zu machen. Der älteste Text über Hypnose stammt aus Ägypten und wurde bereits 1500 Jahre v. Chr. verfasst. Darin wird der so genannte „Tempelschlaf“ beschrieben, womit  Heil-  bzw.  Trancerituale bezeichnet wurden. Was den Weg der heutigen wissenschaftlich fundierten und seriösen Hypnose bereitet hat, waren praktische Erfahrungen von dem Wiener Arzt Franz Anton Messmer (1734–1815). Er arbeitete mit Magneten und ging zunächst von einem magnetischen „Fluidum“ (ausstrahlende Wirkung) aus, welches sich über die Hand des Arztes auf den Patienten überträgt. Dabei fand er heraus, dass er auch ohne Magnete, nur indem er seine Hände auf den Patienten richtete, Heilerfolge nachweisen konnte. Ihm war zu dem Zeitpunkt nicht klar, dass seine „Einflüsterung“ und der Trancezustand des Patienten den Heilungsprozess psychisch ausgelöst hatten. Der schottische Chirurg James Braid gab dieser Therapiemethode 1841 den Namen „Hypnose“ und operierte erfolgreich mit hypnotischer Schmerzkontrolle (Analgesie). In  der  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  wurde  dann mit  der Einführung chemischer Betäubungsmittel wie Äther, Chloroform und Lachgas die Schmerzkontrolle durch Hypnose (Hypnoanalgesie) weitgehend verdrängt.

Heute ist die Hypnose bei der Behandlung von Schmerzen wieder gut etabliert, da die Wirksamkeit von Hypnose in der Behandlung von Schmerzen wissenschaftlich gut belegt ist. Seit 2006 gilt die klinische Hypnose oder Hypnotherapie in Deutschland offiziell als eine wissenschaftlich fundierte, psychotherapeutische Methode. Zur Schmerzbehandlung wird sie insbesondere dann empfohlen, wenn die üblichen Schmerzmittel nicht wirken oder allergische Reaktionen auslösen oder z.B. bei einer Schwangerschaft nicht eingenommen werden sollten. Darüber hinaus kann Hypnose auch als ergänzende Methode im Rahmen von Schmerzbewältigung eingesetzt werden, sowohl bei akuten (z.B. Zahnschmerzen) als auch bei chronischen Schmerzen.

Wie läuft die Hypnose ab?

Prinzipiell ist es möglich, jeden Menschen zu hypnotisieren, sofern das Gehirn nicht geschädigt ist. Allerdings variiert die Tiefe der Trance von Person zu Person. Eine tiefe Hypnose ist oft nicht notwendig. Es kann eine leichte bis mittlere Trance bei fast allen Menschen erreicht werden. Etwa zehn Prozent der Menschen gelangen nicht in einen hypnotischen Zustand.

Der Therapeut führt den Patienten in einen tiefen Entspannungszustand, die sog. Trance. Trance ist ein natürlicher Zustand, der auch im Alltag auftritt; so kann ein Mensch telefonieren und gleichzeitig auf einem Schreibblock ein Bild malen. Kennzeichnend für die Trance ist eine veränderte Zeit- und Außenwahrnehmung: Die Zeit vergeht meistens „wie im Flug“ und äußere Reize wie z.B. Straßenlärm werden komplett ausgeblendet. In diesem Zustand ist das Gehirn besonders aufnahmefähig und kreativ. Ähnlich wie bei der Meditation sinken Muskelspannung, Herzfrequenz und Blutdruck. Außerdem wird die Atmung ruhiger und regelmäßiger, auch die Aktivierbarkeit von Reflexen nimmt ab. Chronische Schmerzen, die als Folge von Stress auftreten, können durch Hypnose beeinflusst werden, denn während der Hypnose sinkt der Stresshormonspiegel im Blut und es lässt sich eine mentale (geistige) Distanz zu den Schmerzen aufbauen.

Therapeutisch wirksam sind also nicht „übersinnliche“ Kräfte des Hypno-Therapeuten, sondern die eigene Vorstellungskraft und Selbstheilungskräfte des Patienten.
 

„Patienten tragen ihren eigenen Arzt in sich. Sie kommen zu uns und wissen nichts von dieser Wahrheit. Das Beste, was wir tun können, ist, dem inneren Heiler unserer Patienten die Chance zu geben, seine Arbeit zu tun.“ (Albert Schweitzer - 1875-1965)

Die Angst, dass während der Hypnose etwas gegen den eigenen Willen geschieht ist unbegründet, denn alles, was gegen das moralische Empfinden des Patienten verstößt, würde den Trancezustand sofort unterbrechen.
 

Wie wirkt die Hypnose bei Schmerz?

Der Schmerzpatient entwickelt mit Hilfe des Therapeuten innere Bilder und leitet darüber Veränderungsprozesse ein. Bekannt ist z.B. die „Handschuhanästhesie“, wobei mit Hilfe von Vorstellungen z.B. „Hände im Schnee“ versucht wird, sich die Hand oder den Arm taub, kühl oder empfindungslos anfüllen zu lassen. So kann z.B. der sonst schmerzhafte Stich einer Spritze ausbleiben. Eine weitere Möglichkeit ist, sich den  Schmerz als Farbe, Bild oder Form (flächig/spitz) vorzustellen, um diese dann durch Vorstellungskraft zu verändern. Hat der Schmerz z.B. die Farbe Rot, so kann versucht werden, entweder die Farbintensität zu verringern und nach Blau zu verändern. Bei Migräne kann man sich den Schmerz als einen brodelnden Vulkan vorstellen, der allmählich erkaltet. Auch vom Schmerz ablenkende Bilder, beispielsweise einen Ort des Wohlbefindens, können helfen, sich vom Schmerz innerlich zu distanzieren. Je nach Vorstellungskraft und Konzentration kommt es so zu einer Schmerzlinderung und in einigen Fällen auch zu einer vorübergehenden Schmerzfreiheit. Unter Hypnose verändert sich die Schmerzverarbeitung, wie Messungen am Gehirn zeigen konnten. Die Wirkung ist nicht nur auf den Zeitraum der Trance begrenzt, denn die einhergehende Entspannung kann sogar mehrere Stunden darüber hinaus noch anhalten und den Kreislauf von „Angst – Anspannung – Schmerz“ unterbrechen helfen und damit chronische Schmerzzustände verringern.

Interessant ist die zahnärztliche Hypnose für Patienten, die eine Unverträglichkeit gegenüber Betäubungsmitteln (Anästhetika) haben oder unter starken Behandlungsängsten leiden. Stark geschwächte Patienten, bei denen keine Narkose durchgeführt werden kann, können ebenfalls von einer medizinischen Hypnose profitieren. Sowohl bei größeren Operationen als auch bei kleineren Eingriffen kann durch Hypnose der Blutverlust durch einfache Suggestionen deutlich vermindert werden. In Studien wurde nachgewiesen, dass, wenn Versuchspersonen ihre Schmerzen selbst beeinflussen konnten, sich ein Teil des präfrontalen Cortex aktivierte. Hatten sie dagegen keine Kontrolle über ihre Schmerzen, war dieses Hirnareal kaum aktiv. Heißt: Je schwächer die Aktivität, desto stärker empfanden die Testteilnehmer ihre Schmerzen.
 

Schmerzintensität hängt auch davon ab, ob man das Gefühl hat, den Schmerz kontrollieren zu können. Wer erlebt, Schmerzen selbst beeinflussen zu können, empfindet sie weniger intensiv.

Wenn Schmerzen einen psychologischen Grund haben, z.B. durch schwelende Konflikte oder zurückliegende seelische Erschütterungen (Trauma), kann die sog. „Hypno-Therapie“ eine Möglichkeit sein, um verdrängte Geschehnisse bewusst werden zu lassen, damit diese einer konstruktiven Verarbeitung zugeführt werden können.
 

Menschen, die ihr Leben strikt unter Kontrolle halten müssen, leiden besonders stark unter chronischen Schmerzen, da diese sich ihrer Kontrolle entziehen.

Wie funktioniert Selbsthypnose?    

Es gibt eine große Vielfalt von Selbsthypnose- und Imaginationstechniken. Das Autogene Training,  ist eine der bekanntesten Formen der Selbsthypnose. Hier bewirken zu sich selbst gesprochene Sätze, verbunden mit bildhaften Vorstellungen, einen muskulären Entspannungszustand: Beispiel: „Mein rechter auf sonnengewärmtem Moos liegender Arm wird angenehm schwer“. Bei guter Übung kann sich dann der Entspannungseffekt auf alle Bereiche von Körper und Seele ausweiten. Es wird also die eigene Einbildungskraft genutzt, um mit Hilfe gezielter positiver Vorstellungen einen selbstheilenden Prozess zu fördern.  Dabei kommen die mit dem Therapeuten vorher entwickelten persönlichen Vorstellungsbilder zum Einsatz. Schmerzpatienten lernen zunächst, sich auf ihre eigene Art in einen Trancezustand zu versetzen und stellen sich dann die zuvor erarbeiteten inneren Bilder zur Schmerzkontrolle erneut vor. In der Regel kann in Selbsthypnose eine ähnliche Schmerzlinderung wie unter Anleitung durch einen Therapeuten - tägliches Üben vorausgesetzt - erreicht werden. Bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp hat sich z.B. die Vorstellung bewährt, dass Arme oder Hände, Beine oder Füße durch ein „Rotlicht“ erwärmt werden. Wenn dies gelingt, lässt der Blutdruck im Kopf nach. Auch ist die „Einbildung“ hilfreich – selbst im Stehen - sich vorzustellen, dass man am Strand zunächst mit den Füßen langsam ins kühle Wasser geht bis das kühlende Wasser die Oberschenkel und Fingerspitzen erreicht. Die Selbsthypnosetechniken sollten auch zur Vorbeugung, also vor dem Auftreten von Kopfschmerzen, eingesetzt werden.

Grenzen der Hypnose bei Schmerzen

Betroffene können  durch Hypnose keine dauernde Schmerzfreiheit erlangen, sondern entweder eine deutliche Linderung oder vorübergehende Schmerzfreiheit. Eine passive Grundhaltung - „ der Therapeut macht es schon“ - ist hinderlich für die auf aktive Mitarbeit ausgerichtete hypnotische Schmerzkontrolle. Manchen Patienten fällt es schwer, den Anleitungen des Therapeuten zu folgen oder sich in einen entspannten Zustand „fallen zu lassen“ z.B. nach traumatischen Erlebnissen in der Vorgeschichte.
 

Hypnose wirkt so, dass die körperlichen Signale für Schmerzen fortbestehen, aber die Schmerzwahrnehmung verändert wird.

Kosten

Grundsätzlich sollte die Hypnose  in ein anerkanntes Psychotherapieverfahren (Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, Tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie) eingebettet sein, dann werden auch die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Bei privaten Krankenversicherungen sind die Regelungen für eine Übernahme sehr unterschiedlich. Es ist daher ratsam, sich vor Therapiebeginn beim Therapeuten über die Möglichkeiten einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse genau zu informieren. Ein Therapeut ist grundsätzlich dann geeignet, wenn er über das Zertifikat einer seriösen Hypnosegesellschaft und über Erfahrungen in der Behandlung von Schmerzen durch Hypnose verfügt. Natürlich ist auch das Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient entscheidet für den Erfolg.

Fazit
Die Hypnose ist für die Behandlung akuter Schmerzen und auch für die Therapie chronischer Schmerzen geeignet. Sie bietet einen sehr wirksamen Zugang sowohl zur Schmerzkontrolle  als auch zur Aufdeckung möglicher emotionaler Ursachen des Schmerzes. Es muss allerdings neben der Bereitschaft und dem Vertrauen ein Mindestmaß an Hypnotisierbarkeit und innerer Vorstellungskraft vorhanden sein. Selbstverständlich müssen auch Geduld und Übungsbereitschaft vorausgesetzt werden.
 

Mit bestem Dank an den Autor Hans Günter Nobis