Schmerztagebücher

Zum besseren Verständnis der Schmerzsymptomatik ist es für Therapeut und Patient vorteilhaft, in einem Schmerztagebuch, Wochenblatt oder Monatskalender täglich Informationen zum Auftreten (die Häufigkeit) sowie zur Stärke (Intensität) und Dauer der Schmerzen aufzuzeichnen. Am vorteilhaftesten ist es, wenn man ein standardisiertes Formular mit regelmäßig gleichen und damit vergleichbaren Fragen verwendet.

Zur Erfassung von Besonderheiten bei Schmerz gibt es spezielle Tagebuch-Versionen die beispielsweise auch erfassen können, wann die Schmerzen einsetzen oder die eingenommenen Medikamente ihre Wirkung zeigen (z.B. spezieller Kopfschmerz-Kalender oder tägliches Aktivitäten-Tagebuch mit Angaben der stündlichen Hauptaktivitäten).
 

Die Angaben in Schmerztagebüchern ermöglichen es dem behandelnden Arzt, rückblickend den Behandlungs- und Symptomverlauf zu beurteilen. Sie sollten möglichst bereits vier Wochen vor Behandlungsbeginn begonnen und zu den jeweiligen Therapieterminen mitgebracht werden. Damit die Angaben nicht zu allgemein ausfallen und bloße Wiederholungen vermieden werden, empfiehlt es sich, die Angaben tageweise unabhängig von den vorangehenden Eintragungen immer wieder aktuell neu vorzunehmen.

Vorteilhaft ist es, wenn die Beobachtungen rückwirkend für vier Tagesabschnitte (nachts, vor- und nachmittags sowie abends) aufgeschrieben werden, möglichst im Zusammenhang mit schmerz-verstärkenden Ereignissen wie Ärger, Aufregungen oder körperlichen Belastungen oder auch positiv schmerzreduzierenden Ereignissen oder Verhaltensweisen.
 

Für die Nachtzeit gilt:
Haben Sie nachts durchgeschlafen und waren schmerzfrei, kennzeichnen Sie dies mit der Schmerzintensität Null, anderenfalls mit der jeweiligen Stärke der Schmerzen, die Sie dann zusätzlich in der Rubrik „Dauer“ durch Ankreuzen der jeweiligen Stunden anzeigen können. Dadurch werden auch Ein- und Durchschlafstörungen im Zusammenhang mit Schmerzen im Tagebuch sichtbar.

Da der Zusammenhang von Schmerzverstärkungen mit äußeren Anlässen nicht immer unmittelbar festzustellen ist, ist es sinnvoll, solche Ereignisse (die sog. täglichen kleinen Ärgernisse) auch unabhängig vom Auftreten der Schmerzbeschwerden zu notieren. Ihre Beobachtungen können dann im gemeinsamen Gespräch mit dem Therapeuten in einer sogenannten Situations- oder Verhaltensanalyse besser verstanden werden. Hierbei werden Auslöse-Situationen (Stressoren) mit Ihren Reaktionsweisen (Körperreaktionen, Gefühlen, Gedanken und dem Verhalten in der jeweiligen Situation in Zusammenhang gebracht.
Ebenso sollten alle aktiv durchgeführten schmerzlindernden Aktivitäten, wie Wärmezufuhr, Entspannungstherapien, sportliche Aktivitäten, eigene krankengymnastische Übungen oder die Anwendung von Elektrostimulationstherapie aufgezeichnet werden. Dies dient einerseits einer eigenen Kontrolle und Motivierung zur Anwendung eigener Bewältigungsverfahren, andererseits der Überprüfung ihrer Wirksamkeit.
 

Schmerztagebücher sollten über längere Zeit kontinuierlich geführt und aufbewahrt werden. Denn sie dienen auch der Erfolgskontrolle, insbesondere bei neu begonnenen Therapieverfahren.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Angaben unmittelbar aufzuzeichnen, um die gegenseitige Beeinflussung einzelner Einschätzungen zu vermindern. Zu diesem Zweck wurden auch elektronische Tagebücher zur direkten Eingabe ohne Rückschaltfunktion erprobt. Solche Aufzeichnungen ermöglichen dann auch eine computerisierte Auswertung. Die Anwendung internetbasierter Tagebücher (beispielsweise über das Handy / Tablet mit sog. Apps) ist aus Gründen der Sicherheit personengebundenen Daten nur unter Voraussetzung spezieller Abschirmungs-Maßnahmen zu empfehlen.

Standardisierte Formen von Schmerztagebüchern werden von verschiedenen Anbietern kostenfrei zur Verfügung gestellt, können vom Arzt oder Psychotherapeuten ausgegeben werden, u.U. selbst erstellt oder auch über das Internet auf den eigenen Rechner heruntergeladen werden. Mit dem behandelnden Therapeuten sollte abgesprochen werden, welches Schmerztagebuch für die jeweils spezielle Schmerzsymptomatik am besten geeignet ist.
 

Übrigens:
Schmerztagebücher dienen vor allem einem wichtigen Ziel der Schmerztherapie: der Erfahrung von Selbstwirksamkeit in der Bewältigung der Beschwerden.

Angesicht all der zu beantwortenden Fragen und der Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Schmerz könnte man sich fragen, ob dadurch Schmerzen verstärkt werden können. Solche negativen Effekte von Tagebüchern konnten bislang nicht belegt werden.

Die Praxis von Tagebuchführungen zeigt vielmehr, dass diese Selbstbeobachtungen eher zum Aufbau schmerzreduzierender Verhaltensweise beitragen und Zusammenhänge zwischen dem eigenen Verhalten und dem Schmerzerleben erkennen helfen. Durch das Führen und die Besprechung von Schmerztagebuch-Aufzeichnungen kann ein Zuwachs an eigener Einflussnahme auf den Schmerz gelingen. Damit dienen Schmerztagebücher einem wichtigen Ziel der Schmerztherapie: der Verbesserung der eigenen Einflussnahme. Die Patienten machen die Erfahrung, selbst etwas erreichen zu können, was als Selbstwirksamkeit bezeichnet wird.
 

Mit bestem Dank an den Autor Wolfgang Richter